Baby Jail
Steinzeit und Hitparade
Baby Jail machten Ende 1985 erste Gehversuche als späte Punkband. Neben englisch und hochdeutsch gesungenen Rocksongs kamen bald auch Spottlieder in Mundart ins Programm, die wir mit Handorgel und Blockflöte vortrugen. Und zwischendurch zwangen wir unserem Publikum sogar Coverversionen von schrecklichen deutschen Schlagern auf. Dass Baby Jail dadurch kaum in eine Schublade passten, war nicht gerade verkaufsfördernd für unsere Alben, machte uns aber umso einzigartiger auf der Bühne. Die Konzerte von Baby Jail waren legendär, schweisstreibende Parties, an denen Publikum und Band sich gegenseitig alles abverlangten.
1992 setzte sich der Refrain „Es isch emal en Tubel gsi“ in den Köpfen der Nation fest und wir waren über Nacht vom Geheimtipp zur Hitband geworden. Der Hitparadenerfolg von „Tubel Trophy“ kam allerdings nicht völlig überraschend. Wir hatten schon in den Jahren davor Lieder veröffentlicht, die für unsere stetig wachsende Fangemeinde zu Hymnen wurden: "Moonshine Baby" und "Sad Movies" 1987, "Rapperswil ZH" 1988, "Zum Glück" 1989 oder "Der dumme Student" 1990.
Bis zur Auflösung im Frühling 1994 spielten wir ein paar hundert Konzerte in der Schweiz und im benachbarten Ausland. Zwischen 1985 und 1994 gab es einige Personalwechsel: der Schlagzeuger und die Saxofonistin der Urbesetzung setzten sich für längere Zeit ins Ausland ab und wurden von neuen Leuten abgelöst, in späteren Formationen wurde das Saxofon endgültig durch eine Leadgitarre ersetzt.
BANDMITGLIEDER 1985 - 1994
Boni Koller (Gitarre, Gesang, Texte) 1985 - 1994
Bice Aeberli (Bass, Gesang, Akkordeon) 1986 - 1994
Sacha Rohrer (Saxofon, Gesang) 1985 - 1990
Andy Gruenberg (Schlagzeug, Gesang) 1986 - 1987
Hepl Caprez (Schlagzeug) 1987 - 1990
Marlen Müller (Saxofon, Gesang) 1990 - 1992
Frank Bestebreurtje (Schlagzeug) 1990 - 1993
Pesche Muster (Gitarre) 1991 - 1994
Rolf Eberle (Schlagzeug) 1993 - 1994
Doris Seibold (Bass) 1985 - 1986
Nach der Auflösung im Mai 1994 gab es 2003 ein einziges Konzert zur Plattentaufe unserer Best-Of-CD "Auf Wiedersehen". 2012 hatten wir Lust auf eine Reunion und formierten uns offiziell neu. Schnell wurde klar, dass es um mehr ging als eine blosse Nostalgie-Show zum zwanzigjährigen Jubiläum des Hits „Tubel Trophy“. Alte und neue Fans kamen an die Konzerte und das gefiel uns so gut, dass wir 2014 sogar ein weiteres Album („Grüsse aus dem Grab“) einspielten. Darauf ist es ausschliesslich neues Material zu hören, einzige Ausnahme ist die Pärchenhymne „Jede Tag“ von 1988, diesmal ganz ohne Blockflöte, dafür mit chinesischer Übersetzung. Ausserdem gibt es zwei Coverversionen: „Schwein“ (Ideal 1981) sowie das traditionelle „Big Rock Candy Mountain“ das bei Baby Jail deutsch „Punkparadies“ heisst. Daneben bietet „Grüsse aus dem Grab“ einen bunten Strauss von Liebesliedern: zum Beispiel an das künftige Zürcher Trendquartier „Schwamedinge“, den Gothic-Jünger von nebenan („Sensenmann“), oder eine Lichtgestalt der Gastronomie („Schöne Kellnerin“). Eher gemischte Gefühle werden angesprochen, wenn es um die Kraft positiven Denkens („Ländlerworkshop“) geht. Und das bereits 2012 als Single erschienene Stück „Zemäntfabrik“ ist der freundliche Blick auf eine Zukunft, die manche von uns erwartet: die Demenzabteilung als letzte Station. Womit sich der Kreis schliesst, denn aus dem Laufgitter (Baby Jail) sind wir alle einmal aufgebrochen. Übrigens gibt es aus der Zeit der ersten Reunion-Konzerte 2012 einen schönen Dokfilm von Roman Wasik.